Grandiose Bildgewalt, die das vielschichtige Thema Migration mit all seinen Licht- und Schattenseiten beleuchtet. (ohne Alter) (JE) Er gilt als einer der Entdeckungen im deutschsprachigen Bücherherbst: Shaun Tan, seines Zeichens genialer australischer Illustrator malaysischer Abstammung mit schier unendlichem Ausdrucksreichtum. Mit "Ein neues Land" legt der begnadete Geschichtenerzähler Tan ein Meisterwerk vor, das den Betrachter ganz ohne Text in eine packende Bildfolge eintauchen lässt und ohne Worte die vielfältigen Nuancen von Migration fassbar macht. Gleich einem alten Familienalbum schlägt man den dicken Buchdeckel auf und blickt bereits am Vorsatzpapier in eine Unzahl fesselnder Gesichter unterschiedlichster Nationen. Was folgt sind typisierte Szenen, die den abstrakten Begriff des "Fremd seins" deutlich machen, ja ganz allein im Spiel von Licht und Schatten Verzweiflung, Angst, Hilflosigkeit, aber auch Hoffnung und Nächstenliebe hautnah erleben lassen. Hier werden surreale Welten ausgebreitet, Sujets aus Film und Literatur genial zitiert, von der Totale eines anonymisierten Fabrikgeländes oder Schlachtfeldes bis in den Rachen und das Auge eines verzweifelten Menschen gezoomt. Bedrückend, atemberaubend, faszinierend. Ein universales Meisterwerk, das Migration für jeden Menschen greifbar macht und trotz stolzem Preis und schwieriger Systematisierung in keiner öffentlichen Bibliothek fehlen sollte. Denn wie oft gibt es schon Bücher, die existentielle Themen umfassend verständlich machen können?